Ich, Wolf Siegfried Reichel, bin am 22.7.1910 als erstes Kind des Studienrats Dr. phil. Walter Reichel und seiner Ehefrau Gertrud, geb. Müller, in Sprottau i/Schlesien geboren. Ich besuchte die Vorschule der Städtischen Oberrealschule in Schweidnitz, danach das Humanistische Gymnasium des Pädagogiums der Brüdergemeinde zu Niesky [...], wo ich Ostern 1929 die Reifeprüfung ablegte. Nach einem Studium von 5 Semestern in Freiburg und Rostock bestand ich in Rostock im Juli 1931 die ärztliche Vorprüfung, nach weiteren 6 Semestern klinischen Studiums in Rostock und Graz im November 1934 das ärztliche Staatsexamen. Im Dezember 1934 promovierte ich in Rostock mit einer Schrift 'Über den traumatischen Diabetes mellitus und seine gutachtliche Beurteilung'. Als Medizinalpraktikant war ich an der Univ[ersitäts]hautklinik, der Chirurgischen und Medizinischen Univ[ersitäts]klinik tätig. Seit dem 1. Dezember 1935 bin ich als planmässiger Assistenzarzt an der Medizinischen Univ[ersitäts]klinik Rostock tätig. (Wolf Reichel: Personalakte Wolf Reichel, UAR, Bl. 28.)
Prof. Curschmann bildete Dr. Reichel in der Medizinischen Universitätsklinik Rostock auf jeglichen Stationen, einschließlich Tuberkulose sowie Infektionen, aus. Die Röntgenausbildung fand unter Prof. Böhme statt. Im Jahr 1938 erkrankte Dr. Reichel an einer Lungentuberkulose, woraufhin er sich bis 1939 und auch im Jahr 1941 einer Kur in Davos (Schweiz) unterzog. Glücklicherweise musste er von 1939 bis 1945 nicht in den Krieg ziehen, da sonst die ärztliche Versorgung des Krankenhauses in Rostock in Gefahr und somit nicht garantiert gewesen wäre. Ab 1939 übte Dr. Reichel die Positionen als stellvertretender Oberarzt (seit 1945 Oberarzt, ab 1948 offiziell ernannter Röntgenoberarzt) sowie stellvertretender Röntgenabteilungsleiter (seit 1945 selbstständiger Leiter) an der Medizinischen Universitätsklinik Rostock aus. Am 13.1.1940 heiratete Dr. Reichel die Fachärztin Dr. Alice Reichel (geb. Bingel). Die Ehe blieb kinderlos.
Seit 1941 übernahm Dr. Reichel vorerst für Prof. Böhme, anschließend mit eigenem Lehrauftrag das Fach der Röntgenologie an der Universität Rostock (1950 offizielle Ernennung zum Dozenten). In den Jahren 1943 und 1944 musste er sich aufgrund eines Gallensteinleidens erneut mehreren Kuren und einer Operation unterziehen.
Herr Dr. R[eichel] verfügt über ein großes klinisches Wissen; er leistet besonders in der Röntgendiagnostik sehr Gutes und hat sich in kurzer Zeit so ausgezeichnet in den Röntgendienst eingearbeitet, dass seine Diagnosen und auch die Technik seiner Aufnahmen von allen Seiten hoch anerkannt worden sind. Im Laufe der Zeit hat er durch ein besonders reiches diagn[ostisches] und therapeutisches Material aus der Med[izinischen] Univ[ersitätsk]linik, Med[izinischen] Poliklinik, aus dem Res[ervel]azarett I, aus der ambulanten Praxis des Direktors und auch von einigen Nachbarkliniken [...] Gelegenheit gehabt, das ganze Gebiet der Röntgenologie praktisch kennen zu lernen und durchzuarbeiten, wobei er sich auch gute Kenntnisse des Schrifttums verschafft hat. (Viktor Schilling: Personalakte Wolf Reichel, UAR, Bl. 32.)
[Dr. Reichel] ist sehr belesen in der einschlägigen Literatur und hervorragend kritisch wissenschaftlich begabt, sodaß er in der Beurteilung von Röntgenplatten das denkbar Beste leistet. Er ist zweifellos unter den in Rostock überhaupt zur Verfügung stehenden Röntgenologen der für die schwierigen inneren Methoden Zuverlässigste, sodaß er sich allgemeiner Wertschätzung über den Rahmen der Klinik hinaus erfreut. Er besitzt auch gute Eigenschaften als Lehrer und hat einen allgemeinen erheblichen erzieherischen Einfluss auf die jüngeren Assistenten [...]. Persönlich steht Herr Dr. Reichel mit allen Ärzten der Klinik in einem kollegialen oder freundschaftlichen Verhältnis ebenso zu dem Personal der Röntgenabteilung, die er verantwortlich seit langen Jahren leitet. (Viktor Schilling: Personalakte Wolf Reichel, UAR, Bl. 34.)
Die Anerkennung als Facharzt für Innere Medizin, Röntgenologie und Strahlenheilkunde erhielt Dr. Reichel 1946. Am 2.4.1948 habilitierte er für das Fach der Röntgenologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Rostock mit der Schrift zum Thema "Die Röntgentherapie des Schmerzes". 1951 bis 1952 unternahm er einen Arbeitsurlaub in dem Institut für Medizin und Biologie in Berlin-Buch an der Akademie der Wissenschaften. Kurz darauf wurde er Professor mit Lehrauftrag für Röntgenologie. Leider waren in Rostock kein Universitätsröntgeninstitut vorhanden, was eine autonome Position im Kreise der Medizinischen Fakultät verhinderte. Deshalb verließ Prof. Reichel schon 1953 die Hansestadt und arbeitete von nun an als Chefarzt im Zentral-Röntgen-Institut des Städtischen Krankenhauses Berlin-Buch. Trotzdem behielt er vorerst den Lehrauftrag für Röntgenologie an der Medizinischen Fakultät Rostock bei. 1976 verabschiedete sich Prof. Reichel aus Altersgründen vom Städtischen Klinikum Berlin-Buch.
Nina Happ, Studentenbeitrag aus dem Jahr 2010.